Die non-formale Jugendarbeit und Erwachsenenbildung stärken

Stellungnahme zur Weiterentwicklung von Erasmus+

Das vorliegende Papier ist in Zusammenarbeit zwischen 5 Organisationen der katholischen Jugendarbeit und Erwachsenenbildung entstanden. Die Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB e.V.), die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (AFJ), die Katholische Erwachsenenbildung Deutschland (KEB), die Europäische Föderation für katholische Erwachsenenbildung (FEECA) und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und ihre Mitglieder betreiben europaweit 994 Einrichtungen mit 3.218 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie erreichen mit ihren non-formalen Bildungsaktivitäten rund 5,3 Millionen junge Menschen und Erwachsene im Jahr.

Die katholische Jugendarbeit und Erwachsenenbildung würdigt Erasmus+ ausdrücklich als eines der erfolgreichsten EU-Förderprogramme überhaupt und betont die Bedeutung des Programms für das Zusammenwachsen Europas und die Zukunft der Europäischen Integration. AKSB, AFJ, KEB, FEECA und BDKJ halten eine Fortführung von Erasmus+ für essentiell, betonen aber auch die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung des Programms.

Für die künftige Programmgeneration ab 2021 hat die katholische Jugendarbeit und Erwachsenenbildung folgende Anregungen:

Budget

  • Angesichts der enormen Bedeutung von Bildungsaufenthalten in Europa für die Bildung einer europäischen Identität, sollten noch weitaus mehr Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit erhalten, an Erasmus+ teilzunehmen. Die Europäerinnen und Europäer haben Lust auf Europa: In allen Programmbereichen übersteigt die Nachfrage das Angebot um ein Vielfaches. Es wird daher angeregt, das derzeitige Budget mindestens zu verdoppeln.

 

  • Die non-formale Jugendarbeit und Erwachsenenbildung zeigen trotz der geringen Anteile am Gesamtbudget von Erasmus+ ein intensives Engagement in der Europaarbeit. In zahlreichen Jugendbegegnungen und ohne Erasmus+ Förderung organisierten Austauschen ermöglicht der non-formale Bildungssektor Jahr für Jahr tausenden Europäerinnen und Europäern die gegenseitige Begegnung. Die Weiterbildung von Fachkräften im europäischen Ausland und die Bildung von Partnerschaften mit Schwesterorganisationen aus ganz Europa wird in der non-formalen Bildungsarbeit groß geschrieben. Jugendbegegnungen prägen junge Menschen ein Leben lang. Für viele Erwachsene hört das Bildungsleben nach dem Abschluss der Schule und Universität nicht auf, sondern begleitet sie ein ganzes Leben hindurch. Zur Würdigung und Förderung des großen Potentials der non-formalen Bildungsarbeit für die Bildung einer europäischen Identität und eines europäischen Bürgerbewusstseins regen die katholischen Träger eine Steigerung des Anteils des Jugendbereichs in Erasmus+ von 10% auf 15% und eine Steigerung des Anteils für die Erwachsenenbildung von 3,9% auf 6% an.

Zugang zum Programm

  • Erasmus+ hat das Ziel, ein niedrigschwelliges Förderprogramm zu sein. Die Antragsformulare mit um die 30 Fragen sind nach wie vor so kompliziert und verlangen so viel Vorbereitung, dass sich eine breit gefächerte Landschaft kommerzieller Antragsberater entwickelt hat. Dies kann nicht im Sinne des Programms sein. Damit auch Organisationen ohne professionelle Abteilung für Fundraising wieder in die Lage versetzt werden, problemlos mit Erasmus+ zu arbeiten, schlagen die katholischen Träger eine deutliche Kürzung der Antragsbögen auf maximal drei Fragen vor. Für die Erwachsenenbildung sollte eine zweite Antragsfrist angeboten werden.

 

  • Neben den Antragsformularen weist auch der Programmleitfaden mit über 300 Seiten und einer unübersichtlichen Struktur eine hohe Komplexität auf. Hier wird empfohlen nachdrücklich an einer deutlichen Vereinfachung und Kürzung zu arbeiten. Hierfür wäre auch eine Aufspaltung in mehrere kleine Programmleitfäden für die Teilbereiche, wie „Hochschulbildung“, „Schulbildung“, „Erwachsenenbildung“ und „Jugend“, denkbar.

 

  • Lernende der non-formalen Erwachsenenbildung können derzeit nicht an Mobilitätsmaßnahmen in Erasmus+ teilnehmen. Personen, die außerhalb von Universitäten an strukturierten Bildungsveranstaltungen teilnehmen, sind genauso aufgeschlossen und neugierig auf einen Bildungsaufenthalt in Europa wie Studenten und haben eine mindestens ebenso große Multiplikatorwirkung. Lernende der non-formalen Erwachsenenbildung sollten wieder direkt an Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen können.

 

  • Die Nationalagenturen agieren unterschiedlich in der Bereitstellung von Informationen. Dies gilt für die neue Registrierung von Projektpartnern in der URF- (Unique Registration Facility) und der ECAS- (European Commission Authentication Service) Datenbank, für die Bewilligung von Projekten oder für die Beratung von Antragstellenden, z.B. bei der Projektskizzenberatung. Diese Unterschiede bestehen sowohl zwischen den vier Nationalagenturen in Deutschland als auch zwischen den andern europäischen Nationalagenturen. Es sollten europaweit annähernd gleiche Formate und Informationen auf den Webseiten mit ausreichendem Zeitvorsprung zugänglich sein.

Umsetzung

  • Für die Vorbereitung von Projekten im GRUNDTVIG-Programm gab es in der letzten Förderperiode die Möglichkeit, Mittel für vorbereitende Besuche zu bekommen, in denen Projekte entwickelt und beantragt werden konnten. Diese Möglichkeit sollte wieder eingeführt werden, um der erhöhten Komplexität im neuen Programm Rechnung tragen zu können. Um den administrativen Aufwand möglichst gering zu halten, schlagen wir im Antragsformular eine Kostenkategorie „Vorbereitende Besuche“ vor.

 

  • Die Einführung von Pauschalen wird begrüßt. Es bleibt eine große Unsicherheit, wie die Pauschalen verwendet werden dürfen. Es gibt keine gesicherten Informationen, welche Art der Kofinanzierung geeignet und damit förderungsunschädlich ist. Alle Verbreitungsaktivitäten werden derzeit pauschal durch die Management-Pauschalen abgegolten. Diese ist zu gering, um alle anfallenden Aufgaben finanzieren zu können. Die Pauschalen sollten ähnlich wie bei der Personalkostenförderung der geistigen Leistungen (intellectual outputs) nach Einkommensgruppen (Ländergruppen) gestaffelt sein.

 

  • Reisekosten können erst ab einer Distanz von 99 Kilometern abgerechnet werden und werden per Luftlinie berechnet. In Grenzregionen sind Mobilitätsmaßnahmen bereits deutlich unter einer Distanz von 99 Kilometern möglich. Die Abrechnung per Luftlinie erlaubt keine realistische Abbildung der tatsächlichen Kosten und benachteiligt Teilnehmende aus entlegenen Regionen und Städten, für die auch bei guter Vorplanung tatsächlich höhere Reisekosten anfallen. Die katholischen Träger schlagen vor, Reisekosten ab einer Distanz von 20 Kilometern zu fördern. Anstatt per Luftlinie sollten die Reisekosten pauschal pro zurückgelegtem Kilometer berechnet werden.

 

  • Maßnahmen mit sozial benachteiligten Menschen benötigen einen höheren sozialpädagogischen Aufwand bei Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Dieser muss sich in einer höheren finanziellen Förderung widerspiegeln. Der genaue Betrag des Mehraufwands muss bereits im Antrag angegeben werden. Dies ist insbesondere für psychosoziale oder geistige Behinderungen im Vorfeld nur schwer abschätzbar. Um eine umfassende Inklusion zu ermöglichen, muss der Betrag für den Mehraufwand auch im Nachgang angepasst werden können. Die besondere Förderung von Menschen mit Behinderung darf nicht auf die Höchstfördersumme angerechnet werden. Des Weiteren muss ermöglicht werden, dass Träger, Initiativen und Organisationen, die mit sozial benachteiligten Jugendlichen oder mit jungen Menschen mit Behinderungen arbeiten, hauptberufliches Personal abrechnen können. Nur so ist eine Kontinuität in der Begleitung, die für diese jungen Menschen besonders wichtig ist, zu gewährleisten.

 

  • In JUGEND IN AKTION sowie GRUNDTVIG sollte eine einheitliche und koordinierte Beratung und Bewertung durch eine Stelle – unterstützt durch externe Gutachter – erfolgen. Die Bewertung und Entscheidung ausschließlich durch externe Gutachter ist nicht adäquat.

Zukunftsfragen

  • In der aktuellen Förderperiode wurden für die EU-Programme für lebenslanges Lernen, Jugend und Sport sowie die europäischen Kooperationsprogramme im Hochschulbereich zu Erasmus+ zusammengefasst und mit einem je festen prozentualen Budget ausgestattet. Das hat sich bewährt und zu einer Stärkung EU-geförderter Austauschprojekte geführt. Unglücklicherweise ging mit der Zusammenlegung ein Sichtbarkeitsverlust der einzelnen Programmteile einher. Zum Erhalt der Sichtbarkeit von Erasmus+ und zur Wahrung der Ausrichtung auf Mobilitätsmaßnahmen sollte eine Zusammenlegung mit weiteren Programmen vermieden werden. Von einem Einsatz von Erasmus+ Geldern zur Beschäftigungsförderung wird dringend abgeraten. Das Europäische Solidaritätskorps sollte als eigenes Programm etabliert werden.

 

  • Der nationale Zwischenbericht beschreibt die Wirksamkeit und Bedeutung der Programme. Deswegen sollte eine ganzheitliche Jugend- und Erwachsenbildung integraler Bestandteil von Erasmus+ sein. Non-formale Bildung dient u.a. der Förderung des europäischen Austauschs, interkulturellen Lernens, europäischer Bürgerschaft und Freiwilligentätigkeit, dem Abbau von Vorurteilen sowie der Demokratie- und Wertebildung. Dieser Anspruch darf nicht nur in Grundsatzpapieren stehen, sondern muss sich auch explizit in den Antragsprioritäten der Jugend- und Erwachsenenbildung wiederfinden.

Stand: März 2018

www.aksb.de

www.keb-deutschland.de

www.feeca.eu

www.afj.de

www.bdkj.de

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