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Stellungnahme zur Weiterentwicklung der EU-Jugendstrategie
Das vorliegende Papier ist in Zusammenarbeit zwischen 4 Organisationen der katholischen Ju-gendarbeit entstanden. Die Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB e.V.), die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (AFJ), und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und ihre Mitglieder betreiben deutschlandweit ca. 300 Einrichtungen. Sie erreichen mit ihren non-formalen Bildungsaktivitäten rund 600.000 junge Men-schen im Jahr. Das Europabüro für katholische Jugendarbeit und Erwachsenenbildung koordiniert die Europaarbeit der katholischen Verbände.
Der im November 2009 verabschiedete „erneuerte Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa (2010 bis 2018)“, genannt EU-Jugendstrategie, hat in den Mitgliedstaaten und in den EU-Institutionen zu einer Steigerung des Stellenwertes der Jugendpolitik beigetragen. Im Bereich der Bildungspolitik zeigen die Eurostat Statistiken klare Fortschritte auf. Dennoch ist das Vertrauen der jungen Menschen in Europa und politische Institutionen zu gering. Gleichzeitig gibt es Defizite bei der politischen Partizipation junger Menschen. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist EU-weit nach wie vor deutlich zu hoch.
Weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Lage der jungen Menschen in Europa sind erforderlich. Aus diesem Grund halten AKSB, AFJ, BDKJ, KEB und FEECA die Verabschiedung eines weiterentwickelten und verbesserten Rahmens für die jugendpolitische Zusammenarbeit 2019-2027 für erforderlich.
Für die neue EU-Jugendstrategie ab 2019 hat die katholische Jugendarbeit und Erwachsenenbildung folgende Anregungen:
Gestaltung der europäischen Jugendpolitik und Umsetzung der EU-Jugendstrategie
Neue jugendpolitische Initiativen werden von den EU-Institutionen oft sehr kurzfristig und ohne ausreichende Planung und Konsultation der für die erfolgreiche Umsetzung wichtigen Akteure der Zivilgesellschaft auf den Weg gebracht. Das Europäische Solidaritätskorps ist ein Beispiel für eine Initiative, die zu wenig Vorbereitung erfuhr. Auf die Ankündigung durch Jean-Claude Juncker im September 2016 folgte im Dezember desselben Jahres der Start des Solidaritätskorps ohne Rechtsgrundlage. Der am 03. Mai 2017 veröffentlichte Verordnungsvorschlag wird nach wie vor verhandelt. Die Konsequenz sind Probleme bei der Umsetzung. Von den angekündigten 100.000 Teilnehmern bis Ende 2020 haben bisher ca. 2.166 Teilnehmer ihren Dienst absolviert.
Derzeit ist nur schwer feststellbar, inwieweit die Maßnahmenvorschläge der EU-Jugendstrategie tatsächlich umgesetzt wurden. Ambitioniertere Vorgaben zur Umsetzung könnten die politische Bedeutung und die Wirkung deutlich erhöhen.
Zur Verbesserung der europäischen Jugendpolitik und der Umsetzbarkeit der EU-Jugendstrategie regen die katholischen Verbände an:
- Die Vorbereitung neuer jugendpolitischer Initiativen innerhalb der EU-Institutionen koordinierter, transparenter und konsultativer unter Einbeziehung relevanter Akteure durchzuführen. Der Vorlage eines konkreten Legislativvorschlags durch die Kommission geht normalerweise eine ausführliche Prüfung der Sachverhalte durch Aktionspläne und/oder Weiß- und Grünbücher sowie öffentliche Konsultationen voraus.
- Die Beteiligung des Europäischen Parlaments an der Vorbereitung der EU-Jugendstrategie zu stärken.
- Den Katalog möglicher Initiativen in Anhang I durch eine kleinere Menge möglichst konkreter Grundsätze und Zielsetzungen, ggf. verbunden mit quantitativen Zielmarken, zu ersetzen. Statt im Anhang sollten diese „Grundsätze und Ziele der europäischen Jugendpolitik 2019-2027“ im Hauptteil der EU-Jugendstrategie aufgeführt werden.
- Dass die Mitgliedstaaten sich in nationalen Aktionsplänen freiwillig zur Umsetzung einer oder mehrerer für sie relevanter Zielsetzungen verpflichten.
Politische Partizipation
Die großangelegte „Generation What Studie“ der European Public Broadcasting Union hat ergeben, dass 82% der 18 bis 34 Jährigen Europäer kein Vertrauen in die Politik haben. 59% der jungen Menschen haben wenig oder kein Vertrauen in Europa. Dieses Vertrauen zurück zu gewinnen ist eine große Herausforderung. Um diesen Weg zu beginnen, empfehlen die katholischen Verbände:
- Die Fortführung und den Ausbau des strukturierten Dialogs. Für soziale Benachteiligte sollte die Teilnahme erleichtert werden. Die oft sehr guten Ergebnisse müssen stärkeren Eingang in den politischen Prozess finden. Die EU-Institutionen könnten sich dazu verpflichten, die Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und in ihrer Arbeit zu berücksichtigen.
- Eine professionell aufgestellte Jugendarbeit ist Schlüssel zur politischen Partizipation junger Menschen, trägt zur Verbesserung der Arbeitsmarktqualifikationen bei und senkt die Jugendarbeitslosigkeit. Nach Erkenntnissen des Europäischen Jugendforums ist die Jugendarbeitslosigkeit überall dort besonders niedrig, wo es eine gute Förderung von Jugendorganisationen gibt. Eine ausreichende öffentliche Förderung der Jugendorganisationen ist die Voraussetzung für gute Jugendarbeit. Die EU und die Mitgliedstaaten sollten die adäquate Finanzierung europäischer und nationaler Jugendorganisationen sicherstellen.
- Politische Organe auf Europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene sollten nach Wegen suchen, junge Menschen und Jugendorganisationen stärker in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen.
- Politische Partizipation will gelernt sein. Um sich in der Demokratie erfolgreich einbringen zu können sind ein gutes Verständnis demokratischer Grundprinzipien sowie zu Politik und Gesellschaft erforderlich. Die politische Bildung in Deutschland trägt durch ihren Ansatz der Befähigung zur selbstständigen Partizipation seit Ende des Zweiten Weltkrieges zur Festigung und Aufrechterhaltung der Demokratie bei. Wenn das demokratische Europa Bestand haben soll, sind stärkere europaweite Anstrengungen zur politischen Bildung erforderlich.
Freiwilligendienste
Freiwilligendienste sind ein wichtiges Element einer ganzheitlichen Bildung, für welche die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen im Vordergrund steht. Freiwilligenprogramme bieten jungen Menschen die Möglichkeit zur Orientierung und zum Dienst an der Gesellschaft und vermitteln darüber hinaus Werte und Qualifikationen für den Arbeitsmarkt. Die katholischen Verbände regen daher an:
- Freiwilligenprogramme auf europäischer und nationaler Ebene zu stärken.
- Die ausreichende finanzielle Ausstattung des Europäischen Solidaritätskorps sicherzustellen und bei der rechtlichen Ausgestaltung sowie der Umsetzung auf die Einhaltung von Qualitätsstandards zu achten.
- Sicherzustellen, dass europäische Freiwilligendienste auf grenzüberschreitende Aktivitäten ausgerichtet sind und keine kostspieligen Doppelstrukturen entstehen.
- Dass alle EU-Mitgliedstaaten den Aufbau nationaler Freiwilligendienste in Angriff nehmen.
- Die non-formale Jugendarbeit, die dank ihrer jahrzehntelangen Arbeit mit Freiwilligendiensten, ausgezeichnete Erfahrungen zu erforderlichen Qualitätsstandards gesammelt hat, in die Ausgestaltung und Umsetzung europäischen und nationaler Freiwilligendienste einzubeziehen.
Bildung
Die Indikatoren zum Bildungserfolg junger Menschen weisen auf eine sehr positive EU weite Entwicklung hin. Sowohl bei der Sekundär- als auch der Tertiärbildung hat sich Europa nachhaltig verbessert. Der Anteil der frühzeitigen Schulabgänger geht seit seiner ersten Erhebung durch Eurostat für die EU 28 im Jahr 2002 kontinuierlich zurück. Während im Jahr 2002 EU-weit noch 17% der jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren die Schule ohne einen Abschluss der Sekundarstufe II verließen, waren es im Jahr 2017 noch 10,6%. Der Anteil der 20 bis 24 Jährigen, die mindestens einen Abschluss der Sekundarstufe II erreicht haben, ist dementsprechend gestiegen. Der Anstieg ist hier seit der ersten Erhebung für die EU 28 im Jahr 2006 ebenfalls kontinuierlich gestiegen. Erreichten 2006 78,1% der Europäer einen Abschluss der Sekundarstufe II, waren es 2017 83,2%.
Der Anteil der 30 bis 34 Jährigen mit Bildungsabschluss im Tertiärbereich ist seit seiner ersten Erhebung für die EU 28 im Jahr 2002 ebenfalls durchgängig gestiegen. Absolvierten im Jahr 2002 noch 23,6% der Europäer einen tertiären Bildungsgang an einer Universität oder Fachhochschule, waren dies im Jahr 2017 bereits 39,7%.
Die genannten Zahlen zeigen, dass Europas formaler Bildungssektor erfolgreich arbeitet. Dennoch haben der „Generation What Studie“ zufolge 59% der jungen Menschen kein Vertrauen in Europa. Hinzu kommen Schwierigkeiten die politische Partizipation und die Arbeitsmarktintegration junger Menschen sicherzustellen. Bereiche wie Werte- und Identitätsbildung sowie die Vermittlung lebens- und berufspraktischer Kenntnisse können durch non-formale Jugendarbeit effektiver bearbeitet werden. Die katholischen Verbände regen daher an:
- Die Potentiale der non-formalen Jugendarbeit durch eine stärkere Förderung auf europäischer und nationaler Ebene besser zu erschließen.
- Den Anteil des Jugendbereichs in Erasmus+ von 10% auf 15% zu steigern.
- Die Ausgaben für Bildung in den Mitgliedstaaten schrittweise auf 10% des BIP zu erhöhen und einen gewissen Prozentsatz davon für non-formale Bildungsarbeit aufzuwenden.
Beschäftigung
Die Jugendarbeitslosigkeit in der EU 28 ist von 2013 bis 2016 stetig zurückgegangen. Waren in der Gruppe der 15 bis 29 Jährigen im Jahr 2013 noch 18,4% ohne Arbeit, so waren dies im Jahr 2016 nur noch 14,3%. In der Gruppe der 15 bis 24 Jährigen fiel die Arbeitslosigkeit im selben Zeitraum von 23% auf 18,1%. Trotz dieser positiven Entwicklung lag die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleichsjahr 2016 deutlich über der Arbeitslosenrate der Gesamtbevölkerung von 8,6%. Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen nach wie vor enorme Unterschiede. Während Deutschland und 6 andere EU-Staaten Jugendarbeitslosenquoten von deutlich unter 10% aufweisen, kommen Spanien und Italien auf Werte von über 30%. Diese Disparitäten sind eine Gefahr für den sozialen Zusammenhalt sowie für die wirtschaftliche Entwicklung in der EU.
Vor diesem Hintergrund regen die katholischen Verbände weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Beschäftigungssituation junger Menschen an:
- Die EU-Jugendgarantie und die Jugendbeschäftigungsinitiative haben direkt zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit beigetragen und Strukturreformen in den Mitgliedstaaten angeregt. Beide sollten daher fortgesetzt und mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet werden.
- In den Mitgliedstaaten sollten die Anstrengungen zur Optimierung der makroökonomischen Bedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen fortgesetzt und wo notwendig verstärkt werden. Die Europäische Kommission sollte ihre Bemühungen zur Verbesserung der Qualität der länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters fortsetzen. Das Europäische Semester ist ein Prozess des regelmäßiges Austausch von Beobachtungen, Evaluierungen und Empfehlungen, der zu einer Koordinierung der nationalen Politiken im Bereich der Wirtschafts-, Sozial-, und Bildungspolitik beitragen soll.
Soziale Eingliederung
Innerhalb der EU 28 waren im Jahr 2016 23,5% der Bevölkerung von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. In der Gruppe der 15 bis 24 Jährigen lag die Armutsquote im selben Jahr bei 30,5%. In der Gruppe der 15 bis 29 Jährigen betrug dieser Wert 28,9%. Dies Zahlen zeigen, dass junge Menschen deutlich häufiger von Armut betroffen sind als andere Teile der Bevölkerung. Dieser Indikator entspricht der Summe der Personen, deren Einkommen sich unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle befindet, die bei 60 % des nationalen verfügbaren medianen Äquivalenzeinkommens liegt, die unter materieller Deprivation leiden oder die in Haushalten mit sehr niedriger Erwerbstätigkeit leben. Der Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen und qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung ist für junge Menschen nicht immer uneingeschränkt möglich. Die katholischen Verbände empfehlen:
- Den Zugang aller jungen Menschen zu den Systemen der sozialen Sicherung und hochwertiger Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Vor allem für Personen, die mit Zeitverträgen beschäftigt oder selbständig sind, sich im Übergang von der Ausbildung ins Berufsleben befinden oder in neuen Arbeitsformen beschäftigt sind, sollte der Zugang verbessert werden.
- Die adäquate Ausfinanzierung der sozialen Sicherung und der Gesundheitssysteme als wesentliche staatliche Aufgabe zu begreifen.
- Jugendobdachlosigkeit entschlossen zu bekämpfen und den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten von der Armut betroffenen (EHAP) auf dieses Ziel auszurichten.
Stand: April 2018
Die Stellungnahme können Sie unter folgendem Link herunterladen.